Beobachtungen der Jagreitergesellschaft


Sigrid Axthelm, 2004

Grundsätzlich haben die Regeln des begonnenen letzten Jahrhunderts auch heute noch Geltung. Zweckmäßigkeit, heute ergänzt durch den Faktor Sicherheit, gepaart mit hoher handwerklicher Qualität sind das Kriterium bei der Wahl der Pferdeausrüstung. Jeder modische Schnickschnack wie Fellunterlagen und Strasssteine am Zaum, Modefarben wie hellblau, lila, pink als Sattelunterlage oder Beinschutz outen den Benutzer als nicht standesgemäß. Persönliche Wappen und Namen auf Schabracken beeindrucken garantiert nicht, Meuten- und Vereinslogos sind natürlich ausgeschlossen. Ebenso lassen jede übertriebene Ausrüstung aus einer der vielfältigen und heute täglich neu/wieder entdeckten Reitstile nicht den routinierten Jagdreiter oder Jagdreiterin erkennen.

Stil kann man nicht kaufen und steht grundsätzlich nicht im Zusammenhang mit viel oder wenig Geldbesitz . Manche sagen Stil hat man, das trifft dort möglicherweise zu, wo dies schon über Generationen weitergegeben wurde. Ich würde sagen, Stil kann Mann oder Frau sich erarbeiten oder "abbeobachten". Wesentliche Grundsätze hier sind:  Unaufdringlichkeit, Bescheidenheit, Langfristigkeit oder das heutige Neuwort Nachhaltigkeit. Das heißt konkret bezüglich der Ausrüstung, das langjährig Gepflegte, Hochwertige und Bewährte übertrifft alles neu Erstandene.

Ich denke diese Definition trifft nicht schlecht, es geht  um den Stil des Reitens , auch um  den Umgang mit meinem Pferd,  meinen befreundeten Mitreitern, den Jagdneulingen, den Nichtreitern.

Zum Thema Kopfbedeckung:

Aufgrund unserer heute umfangreichen versicherungs-technischen Anforderungen sollte man zu Ehren des Veranstalters und Ausrichters der Jagd während des Ritts unbedingt eine der Vorschriften genügenden Reithelm tragen. Denn auch bei allen erklärten Haftungsausschlüssen kann, vor allem bei grossen Schäden, von den Versicherungen auf den Veranstalter zurückgegriffen werden.

Zu besonderen Anlässen wie Schauschleppen, Amazonen-jagden, Herrenjagden, Geburtstagsjagden oder Jubiläen ergibt es ein schönes Bild, wenn man zum Einreiten und der Begrüßung Zylinder oder Melone trägt und beim Abritt den Tausch zur Sturzkappe unmerklich vornimmt.

Ansonsten gilt die Regel:

Ausdruck der Persönlichkeit ist durchaus erwünscht: wenn es zum Rahmen passt, den Stand des reiterlichen Könnens berücksichtigt, ebenso die Stellung in der jagdreiterlichen Gesellschaft und nicht übertrieben herbeigeführt wird.

Im Norden und nordöstlichen Deutschland hat das Jagdreiten durch Adel und Militär eine lange Tradition und das Jagdreiten mit Zylinder oder Hut ist dort nicht ungewöhnlich. Die Freiheit mit nicht vorschriftsmässiger Kopfbedeckung im Jagdfeld zu reiten, sollte sich aber nur der absolut sichere Reiter mit zuverlässigem, erfahrenem Pferd nehmen. Im südlichen Deutschland hat das Jagdreiten traditionell Einflüsse aus Tschechien, Österreich oder Ungarn, deshalb empfinde ich auf entsprechenden Veranstaltungen auch etwas dezent verspieltere Aufmachungen mit Dreispitz, polnischem Melon  Goldlitze, Jabot oder Armstulpen aus Samt durchaus passend.

Im mittleren und westlichen, ehemals recht adellosen Teil von Deutschland, ist das Jagdreiten eher bäuerlichen Ursprungs, sonntags wurde zur Entspannung der Arbeitspferde und Ihren Besitzern  zur Fuchs- oder Schnitzeljagd geblasen. Schlichtes und zweckmäßiges ist angebracht.